Das hier soll kein Abgesang auf die Pressqualität von Vinyl ab dem Jahr 2000 werden, sondern nur typische Vinyl-Fehler auflisten, die es schon immer gab und vermutlich immer geben wird. Jeder Vinylsammler wird früher oder später darauf stoßen und sich vielleicht fragen, was es damit auf sich hat.
- Kratzer / Hairlines: Kratzer auf neuem Vinyl entstehen eigentlich nur durch wenig sorgfältige Verpackung bei der Produktion, bzw. nachlässiges Qualitätsmanagement. Keine Frage – hier bleibt einem nur der Umtausch. Hairlines entstehen oft durch Papier- oder Pappinnenhüllen, leider immer noch der Quasi-Standard. Für viele Vinylhörer ein Graus, es kursieren aber teils interessante Möglichkeiten, dies teilweise zu vermeiden. Ganz wird man es nicht verhindern können, da die LP ja auch einmal in die Hülle geschoben wurde – bei der Herstellung. Einige sezieren vorsichtig das Innersleeve, falls dies möglich ist und es sich um ein generisches, weißes Sleeve handelt und heben die Platte raus. Andere benutzen einen LP-Greifer und versuchen, das Sleeve vorsichtig so zu formen, dass man die Platte rausrutschen lassen kann. Das klappt in der Regel nur so mittelgut und es folgen die unangenehmen, leicht schleifenden Geräusche, da die Papierhülle aufgrund der Statik immer wieder an der Platte klebt. Es gibt aber eine weitere Methode, die man auch bei bedruckten Innersleeves anwenden kann. Man benutzt zwei zusammengeknüllte Taschentücher, die man auf beide Seiten der LP platziert. Dadurch kann man die LP quasi „herausrollen“ und dann entweder ein gefüttertes, weißes Innersleeve zusätzlich verwenden, oder Kunststoff-Innersleeves von z.B. Nagaoka oder Katta, die man mitsamt der LP in das bedruckte Sleeve schiebt.
Die gute Nachricht ist aber – diese Hairlines sind nur ein kosmetisches Problem, man hört sie nicht. - Knistern/Rumpeln: Knisterndes Vinyl kann zum einen durch die Verwendung von recycletem Material entstehen, das nicht 100% rein ist, auch neigen bestimmte farbige Pressungen, besonders in Splatterfarben eher zum Knistern oder rumpeln, da die verschiedenen Farbtöne u.U. unterschiedliche Schmelz- und Abkühltemperaturen haben. Dadurch kühlt das Material ungleichmäßig aus, die kleinen, dabei entstehenden Verwerfungen können für unschöne Nebengeräusche sorgen. Knistern kann aber auch durch „eingebackene“ Flusen/Fusseln entstehen, diese sind dann manchmal auch optisch zu sehen.
- Pickel/Dellen: Auch diese Pressfehler entstehen manchmal durch ungleichmäßige Abkühlung oder Fremdkörper an/unter der Matrize und machen sich durch rumpeln oder dumpfe „Wump“-Geräusche bemerkbar.
- Wellen: Oft wurde vermutet (auch von mir), dass 180g-Pressungen anfälliger gegenüber Wellenbildung/Verwölbungen sind. Mittlerweile ist mir aber klar geworden, dass die Wahrscheinlichkeit auch bei leichteren Pressungen ähnlich hoch ist. 100%ig ist noch nicht klar, warum es überhaupt dazu kommt. Neben Schwankungen in der Temperatur bei Pressung und Abkühlung kommen möglicherweise die Etiketten/Label in Frage, die nicht in deckungsgleicher Faserrichtung auf die Presse gelegt werden. Denkbar ist, dass diese Fasern beim Pressen/Erhitzen und folgender Abkühlung die LP dann unter leichte Spannungen setzen und bei dem Erhitzen und dem Abkühlprozess in unterschiedliche Richtungen ausdehnen und wieder zusammenziehen. Diese Spannungen übertragen sich auf die abkühlende LP und es können Wellen entstehen. Falls das Label bei der Pressung feucht ist, kann sich dieses Problem unter umständen noch stärker ausprägen.
180-LPs sind bedingt durch die höhere Masse allerdings schwerer wieder zu glätten, falls man dies z.B. mit zwei Glasplatten versucht. - Dezentriertes Mittelloch: Gab es schon früher gelegentlich, meist ist nur eine Seite betroffen. Die Ursache ist eine leichte Verschiebung der Pressmatrizen zueinander, dabei reichen schon 2-3mm, um einen WOW-Effekt zu erzeugen, ein Leiern bei langgezogenen Noten. Bei einer schnellen Hardcore-Platte kaum zu bemerken, bei Gitarrensoli mit lang auslaufenden Tönen aber durchaus nervig. Auf einer LP-Seite hört man dies meist erst gegen Ende der LP-Seite, wenn die relativ abgetastete Toninformation pro Umdrehung kürzer wird. Manchmal ist eine Dezentrierung auch unhörbar, wenn diese schon beim schneiden des Masters vorhanden war. Wie auch immer, hier muss man selber entscheide, ob man umtauscht. Meist ist die ganze Charge betroffen. Beheben kann man das Problem nur, indem man das Mittelloch einseitig etwas ausfeilt und entsprechend markiert, wo die Platte liegen muss.
- Non-Fill: Als Non-Fill bezeichnet man Störgeräusche, die durch eine ungleichmäßig verteilte oder an einer Stelle der Rille fehlende Pressmasse ausgelöst werden, entweder durch eine schlecht kalibrierte Maschine oder auch dem Pressmaterial, z.B. bei Verwendung von qualitativ schlechtem Vinyl. Das ganze klingt dann ähnlich, wie beim unter Punkt 7 beschriebenen Stitching – wie ein langgezogenes Ratschen/Knistern. Non-Fills können jedoch auch durch nicht optimal gemastertes Musik-Material aus digitalen Quellen entstehen. Dabei ist natürlich nicht die digitale Quelle selber die Ursache, sondern die Tatsache, das moderne Musik oft für digitale Wiedergabe „optimiert“ wird und nicht für die analoge Pressung. Wenn die Frequenzgänge, z.B. bei zu lautem oder zu stark komprimierten Material schlichtweg nicht als Rillenmodulation „darstellbar“ sind, dann können solche Störgeräusche bei Schnitten von digitalen Mastern entstehen.
- Stitching – die „gefürchtete Nähmaschine“: Stitching ist manchmal schon optisch erkennbar und sieht aus wie helle Pünktchen oder eine Perlenschnur. Dieser rührt daher, dass die fertig gepresste Platte beim Öffnen der Pressmaschine einen leichten Drall bekommt und praktisch noch einmal an der Pressmatrize entlangschrammt, was das charakteristische Bild einer Naht auf der Platte zeichnet.
Dieser Fehler ist optisch relativ leicht zu bemerken und sollte durch das Qualitätsmanagement aussortiert werden, aber da diese oft nur stichprobenhaftangewendet wird und am Ende dort auch nur Menschen arbeiten, klappt das mal mehr und mal weniger gut. Somit kann so eine Platte auch einfach mal durchrutschen und beim Vinylsammler landen. Bei farbigen Pressungen ist non-fill/stitching übrigens auch noch deutlich schlechter zu erkennen, als bei schwarzen LPs.
Zusammenfassend kann man sagen – eine wirklich perfekt gepresste Platte ist selten. Fehler gehören zu Vinyl dazu und müssen bis zu einem gewissen Grad toleriert werden. Wer bei jedem Knacksen aufspringt und mit der Lupe nach Defekten sucht, der wird auf Dauer mit dem Hören von Vinyl nicht glücklich sein. Da kann es aber helfen, sich auch gelegentlich mal gebrauchtes, älteres Vinyl anzuhören. Auch hier findet man neben Perlen, die nahezu perfekt sind auch immer wieder mal schlecht gepresste oder auch abgenutzte LPs.
Bei einer Auflage von sagen wir mal 1000 Exemplaren kommen auch 1000 unterschiedliche Exemplare dabei raus. Es ist also ein wenig wie Brötchen backen – der Bäcker kann auch nie 100% gleiche Brötchen backen